Wir sind nun in Kambodscha angekommen und – schande ueber uns – muessen uns in erster Linie fuer unsere Unwissenheit und Naivitaet entschuldigen: wir waren mehr als ueberrascht, als wir nicht wie erwartet in das Mittelalter nach Vietnam gekommen sind, sondern in ein vollkommen westlich orientiertes, fortschrittliches Kambodscha, das nun unserer eigentlichen Vorstellung von Asien entspricht.
Viele freundliche Menschen, keine aufdringlichen und z.T. sehr nervenden Haendler, wenig Hektik und sehr viel entspanntes Leben. All das, was wir leider in Vietnam (wahrscheinlich durch unsere sehr touristische Route) die meiste Zeit vermisst hatten. Dabei hat unser letzter Reisefuehrer noch davon geschwaermt, dass die Strasse „Nummer 1“ von der vietnamesischen Nordgrenze ueber Hanoi, Hue, den Wolkenpass, Hoian, Saigon bis zur kambodschanischen Grenze fuehren wuerde und sehr gut ausgebaut ist. Wie die Strasse in Kambodscha sei, wisse er leider nicht, aber so gut wie in Vietnam wuerden wir wohl nicht vorankommen. Dementsprechend haben wir uns auf das Schlimmste gefasst gemacht und waren sehr ueberrascht, dass die Strasse auf kambodschanischer Seite nicht nur besser ausgebaut ist, sondern auch sehr viel weniger Verkehr herrscht.
So haben wir von unserer letzten Station in Chau Doc in Vietnam fuer die ca. 40 km bis zur Grenze ueber schlagloch-gepflasterte Strassen, die gerade einmal so breit waren, dass zwei Autos einigermassen aneinander vorbeikommen koennen (was niemanden davon abhaelt zu ueberholen – geschweige denn zu bremsen), sowie unglaublich dichtem Verkehr aus Mopeds ca. eine Stunde benoetigt. Fuer die weiteren 150 km auf kambodschanischer Seite bis Phnom Penh waren es dann nochmal ca. 1,5-2 h 🙂
Zuerst mussten wir allerdings die Grenze passieren, was wir zu Fuss gemacht haben, d.h. mit Trollies zwischen LKWs, Mopeds und Haendlern zum Grenzposten laufen. Wir waren jedenfalls die Hingucker 🙂
Dann wurde von einem vietnamesischen Beamten unsere Ausreise im Pass bestaetigt und unser Gepaeck durchleuchtet… wozu auch immer. Der „Drogenhund“ hat sich eher in seiner Mittagsruhe gestoert gefuehlt und ist stiften gegangen. Dann hat unser Guide uns ins Niemandsland entlassen (weiter durfte er nicht) und wir sind nach Kambodscha gelaufen, bis wir dort vom neuen Guide entgegen genommen wurden.
Am Grenzposten reihen sich 5 Wellblechhaeuschen nebeneinander auf und als Einreisender geht es durch fast jedes Haeuschen einmal durch.
Das Visum (Passbilder nicht vergessen!) gab es nur gegen die offiziellen 20$ sowie 5$ – na, nennen wir es mal Trinkgeld fuer die Muehe. Dieses wurde dann von einem anderen Beamten im naechsten Haeuschen ueberprueft. Dann ein Zolleinfuhrformular ausfuellen, ein Formular fuer die Gesundheitsbehoerde und (das war das Coolste) dann wurden noch unsere Impfpaesse kontrolliert! Also nicht vergessen!
Dank unseres Rundumschutzes war alles in Ordnung und wir durften passieren (die letzten Haeuschen waren gerade nicht besetzt 🙂 )
Von hier an ging die Fahrt wie gesagt schnell bis Phnom Penh. Unser kambodschanischer Reiseleiter sprach sehr gut Deutsch, da er 3 Jahre „Plaste und Elaste“ (heute wuerde man wohl „Chemie“ oder „Kunststoffverarbeitung“ sagen) in der DDR studiert hat, wo er in der Naehe von Berlin naemlich in Fuerstenwalde gewohnt hat.
Unterwegs hat er uns sehr viel ueber Kambodscha und das Leben hier erklaert. So haben wir beispielsweise Bettelmoenche in ihren orangenen Gewaendern unterwegs gesehen, die Vormittags von Haus zu Haus ziehen und um Essensgeschenke oder andere Spenden bitten. Dabei bleiben sie nur vor dem Haus stehen und ziehen weiter, falls sie nichts erhalten. Es wird nicht aktiv darum gebeten. Jeder gibt nur, wenn er kann. Allerdings gibt es im buddhistischen Glauben die Reinkarnation und die Menschen gehen davon aus, dass sie die verstorbenen Ahnen bis zu ihrer Wiedergeburt mit Essen versorgen koennen, das durch den Verzehr durch die Moenche transportiert wird. Gut also fuer beide Seiten 🙂 Uebrigens hat unser Reisefuehrer uns mit verschiedenen (angeblich) belegten Beispielen erklaert, dass es die Reinkarnation tatsaechlich gibt… nun wir werden es wohl niemals genau wissen, aber wer weiss schon, was wahr ist und was nicht…
So sind wir bereits gegen Mittag in Phnom Penh angekommen und haben noch die Schnellstadtfuehrung erhalten, da wir am naechsten Tag bereits nach Siem Reap weiterfliegen. Ganz klar zu wenig Zeit fuer zu viel interessanter Stadt!
So haben wir den von den Franzosen im Kollonialstil erbauten Zentralmarkt angeschaut (was sehr ruhig und angenehm war – hier gibt es uebrigens so leckere Dinge wie gegrillte Kakerlaken, geroestete Grillen oder einfach nur Schnecken) und das Nationalmuseum mit vielen im Dschungel gefundenen Statuen, wie bspw. aus Angkor Wat.
Ein absolutes Highlight ist der Koenigspalast, der umwerfend schoen ist. Hier lebt die Koenigsfamilie, denn Kambodscha ist seit 1993 wieder ein Koenigreich, wenn auch als konstitutionelle Monarchie. Seit der Absetzung 1975 war die unruehmliche Schreckenszeit der Roten Khmer, die es bis 1979 in nur 4 Jahren geschafft haben ca. 25% der Bevoelkerung (darunter hauptsaechlich die gebildete Elite) z.T. auf den sogenannten „Killingfields“, aber meistens durch Verhungern und „zu Tode arbeiten“ zu ermorden. Die Roten Khmer wurden 1979 durch die Hilfe der vietnamesischen Armee in das Grenzland zu Thailand vertrieben. Danach war Kambodscha sozialistisch, bis sich die Bevoelkerung dazu entschlossen hat wieder ihren Koenig einzusetzen, der zur Bedingung gemacht hat, dass alle vietnamesischen Truppen aus Kambodscha abziehen muessten. Der bis dahin andauernde Buergerkrieg wurde erst 1999 beendet – und heute beginnt die eigentliche Aufarbeitung der Verbrechen der Roten Khmer. Allerdings sehen es die Kambodschaner mit der Vergangenheit wie die meisten anderen Asiaten: was passiert ist, ist passiert – Bestrafung ist nichts anderes als Rache… naja, schwer fuer uns nachzuvollziehen, aber auch eine Einstellung.
Der Palast wurde erstaunlicherweise von den Roten Khmer, die so ziemlich alles andere kulturelle zerstoert haben, nicht angetastet, daher gibt es heute noch Leute, die der Meinung sind, dass der Koenig und Pol Pot einen Deal abgeschlossen hatten…
Vom Koenigspalast aus haben wir noch die Silberpagode besucht, deren Boden mit echtem Silber ausgelegt ist, sowie jede Menge Silber- und Gold-Gegenstaende (hauptsaechlich natuerlich Buddha-Statuen) beherbergt. Sehr beeindruckend ist die ca. 90kg schwere Buddhastatue aus echtem Gold. Wahnsinn!
Unser Guide hat uns dann noch in ein ebenfalls sehr westliches Kaufhaus gefuehrt, in dem es eine Plattform mit tollem Blick ueber Phnom Penh gibt und wir haben natuerlich viele schoene Bilder gemacht. Im Kaufhaus selbst werden viele der Geschaefte und Staende von einzelnen Haendlern betrieben, die sich hier eingemietet haben. Das Sortiment ist dabei das selbe, das wir auch bei uns bei Karstadt erwarten wuerden. Einziger Unterschied: Die eigenen Kinder spielen wie selbstverstaendlich im „Verkaufsraum“, waehrend die Eltern Geschaefte machen…
Ich war uebrigens sehr irritiert, als ich versucht habe Riel – die kambodschanische Waehrung – an einem Geldautomaten (ATM) zu erhalten: raus kamen Dollar, das ist naemlich die eigentliche inoffizielle Waehrung
in Kambodscha und wird ueberall gerne gesehen. Wechselkleingeld, wie bspw. 0,5$ gibt es dann umgerechnet in Riel zurueck.
Aus beruflichen Gruenden haben wir uns natuerlich immer wieder nach der sozialen und vor allem medizinischen Versorgung erkundigt. So ist die Grundversorgung in Krankenhaeuser fuer alle sowie die gesamte medizinische Versorgung fuer Kinder kostenlos. Ausserdem gibt es eine allgemeine Impfpflicht fuer Kinder (sehr zu befuerworten!!!). Es ist einfach unverstaendlich, dass wir uns die luxurioese Diskussion im Westen erlauben, ob Impfen nicht doch eigentlich viel schaedlicher ist als nuetzlich und die Kinder unter unnoetigen Stress setzt – vielleicht sollte man mal in ein sehr armes Land gehen und sich die furchtbaren Krankheiten und vor allem deren schrecklichen Folgen anschauen! Erschreckend ist, dass es doch eine Saeuglingssterblichkeit von immerhin 11,5% gibt – man stelle sich vor, was mit ein wenig mehr finanziellen Mitteln hier erreicht werden koennte…
Die Killingfields sowie das Museum haben wir aus Zeitgruenden leider nicht angeschaut – nicht zuletzt waren wir auch brotfertig – trotzdem sehr schade!
Allerdings haben wir auch die Schattenseite der kapitalistisch orientierten Gesellschaft gesehen: waehrend die Strassen im sozialistischen Vietnam in der Regel sehr sauber, sprich ohne Muell waren, liegt hier in den Strassen ganze Muellberge herum. Und leider haben wir auch viele sehr verarmte Kinder gesehen, die mit Zigarette und „Schnueffeltuete“, also einer Tuete gefuellt mit Klebstoff oder anderen Chemikalien, die betaeubende Daempfe absondern, in verdreckten Ecken sassen… das bedrueckt sehr. Unser Reiseleiter sagte zwar, dass es fuer Arme und vor allem Kinder soziale Auffangstationen gaebe und diese von einigen nur nicht in Anspruch genommen wuerden, aber so recht glauben laesst sich das nicht!
Auch scheint Kambodscha wie Vietnam zum heimlichen neuen Mekka fuer Sextouristen zu verkommen. Im Gegensatz zu Vietnam wird in Kambodscha allerdings ueberall durch bspw. grosse Werbetafeln oder auf Flyern auf das Problem hingewiesen und um Mithilfe bei verdaechtigen Personen gebeten. Immerhin ein Schritt…
Abends sind wir dann noch von unserem Hotel (Juliana Hotel) zum „Lonely Planet“-Restauranttip gefahren, der natuerlich von allen Lonely Planet-Lesern besucht war, und mussten einmal mehr feststellen, dass dieser Tip doch nicht so super war, wie wir dachten. Schade.
Morgen geht es dann in aller Herrgottsfruehe (um 6:45 Uhr) nach Siem Reap weiter.
Viele Gruesse
shp-vn
[googleMap name=“Phnom Penh“ width=“500″ height=“300″ directions_to=“false“]Phnom Penh, Cambodia[/googleMap]